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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 27.02.2009
Aktenzeichen: 13 Sa 2192/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 29
ZPO § 38 Abs. 2
Auch im Arbeitsrecht kann der Gerichtsstand nach § 29 ZPO gem. § 38 Abs. 2 ZPO abbedungen werden.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 27. Februar 2009 13 Sa 2192/08

In Sachen

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 13. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. F. als Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Herr C. und Herr G.

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.09.2008 - 30 Ca 5652/08 - wird auf seine Kosten bei unverändertem Streitwert zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten materiell im Wesentlichen um die Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen ihnen bestanden hat und um daraus folgende Verpflichtungen der Beklagten, insbesondere um Entgeltforderungen, prozessual um die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit.

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in Berlin, die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Balzers/Liechtenstein.

Die Parteien haben am 30. Juli 2007 einen "Arbeitsbestätigungsvertrag/Arbeitsvertrag" geschlossen. Auf dem schriftlichen Vertrag befinden sich unten in derselben Schriftgröße wie im darüber befindlichen Text vier Schriftzeilen, die schwarz umrandet sind. Die untere Zeile lautet: "Gerichtsstand ist ausschließlich Vaduz, Liechtenstein......" Die darüber befindliche Unterschrift des Klägers berührt die Umrandung der vier Zeilen.

Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages und des Schriftbildes wird auf die Kopie des Vertrages vom 30. Juli 2007 Bl. 6 d. A. verwiesen.

Der Kläger hat am 04. April 2008 Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin erhoben und die Feststellung verlangt, dass in der Zeit vom 01. September 2007 bis zum 31. März 2008 zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, ferner Arbeitsentgelt in Höhe von 19.654,84 € nebst Zinsen von der Beklagten gefordert sowie die Übergabe von ordnungsgemäßen Gehaltsabrechnungen für die Zeit vom 01. September 2007 bis zum 31. März 2008 und endlich außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.023,16 € nebst Zinsen.

Der Kläger ist der Auffassung gewesen, dass das Arbeitsgericht Berlin das auch international zuständige Gericht sei, die Beklagte hat die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit noch vor der Güteverhandlung mit Schriftsatz vom 16. Juni 2008 (Bl. 62 f. per Fax und Bl. 64 f. d. A. im Original) gerügt und auch auf die Gerichtsstandsvereinbarung verwiesen. Der Kläger hat sich zur Gerichtsstandsvereinbarung nicht geäußert.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 10. September 2008 die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für den vorliegenden Rechtsstreit nicht gegeben sei. Diese ergebe sich weder aus den Zuständigkeitsbestimmungen der Verordnung EG Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EUGVVO), da die Beklagte keinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates habe und die Art. 22, 23 EUGVVO tatbestandlich nicht erfüllt seien. Die internationale Zuständigkeit ergebe sich auch nicht aus dem so genannten Lugano-Abkommen, da Liechtenstein diesem Abkommen nicht beigetreten sei.

Endlich ergebe sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit, die sich nach der Rechtsprechung des BGH mittelbar aus den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte ergebe, weder aus § 29 ZPO noch aus § 48 Abs. 1 a ArbGG, da Erfüllungsort vorliegend nicht Berlin, sondern die Betriebsstätte des Arbeitgebers, also Balzers in Liechtenstein sei. Dies gelte auch für einen Außendienstmitarbeiter wie den Kläger. Ferner sei nach dem bisherigen Vortrag des Klägers nicht ersichtlich, dass er seine Tätigkeit auch als Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG ausgeübt habe.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Vortrags der Parteien in der ersten Instanz wird auf das Urteil vom 10. September 2008 Bl. 224 - 239 d. A. verwiesen.

Gegen dieses ihm am 16. Oktober 2008 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 06. November 2008 eingegangene und am 16. Dezember 2008 per Fax begründete Berufung des Klägers. Er hält das Arbeitsgericht Berlin für international zuständig und verweist unter anderem darauf, dass die Auffassung des Arbeitsgerichts Berlin zum Erfüllungsort eines Außendienstmitarbeiters von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abweiche. Danach sei Erfüllungsort schon nach § 29 ZPO der Wohnsitz des Klägers, wenn er - wie vorliegend - dort arbeite, von dort aus seine Reisen zu den Kunden der Beklagten plane, von dort aus starte und auch wieder dorthin zurückkehre.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 10. September 2008 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Berlin - 30 Ca 5652/08 - festzustellen, dass das Arbeitsgericht Berlin zuständig ist und die Angelegenheit zur materiellen Sachentscheidung an das Arbeitsgericht Berlin zurückzuverweisen;

hilfsweise,

1. festzustellen, dass in der Zeit vom 01.09.2007 bis zum 31.03.2008 zwischen der Beklagten und dem Kläger ein Arbeitsverhältnis bestanden hat,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 19.654,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit des Arbeitsverhältnisses vom 01.09.2007 bis zum 31.03.2008 ordnungsgemäße Gehaltsabrechnungen zu übergeben,

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.023,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hält weiter die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für nicht gegeben.

Wegen des konkreten zweitinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 16. Dezember 2008 (Bl. 262 ff d. A.) und die in der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2009 überreichten E-Mails (Bl. 328 ff d. A.) sowie der Beklagten vom 05. Februar 2009 (Bl. 311 ff d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gem. §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe b und c, Abs. 6; 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung des Klägers jedoch keinen Erfolg. Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Rechtsstreit nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterfällt. Allerdings ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des EuGH in Fällen wie dem vorliegenden bei Außendienstmitarbeitern, sonstigen Reisenden oder Monteuren der Erfüllungsort der Wohnsitz des Dienstleistenden bzw. Arbeitnehmers. Darauf kommt es jedoch nicht an, da die Parteien eine gültige Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 Abs. 2 ZPO geschlossen haben, wonach der Gerichtsstand Vaduz/Liechtenstein ist. Im Einzelnen:

1. Wie das Arbeitsgericht Berlin auf Seite 9 des Urteils (Bl. 232 d. A.) zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit für den vorliegenden Fall weder aus der EUGVVO noch aus dem so genannten Lugano-Übereinkommen, da Liechtenstein diesem Abkommen nicht beigetreten ist (siehe die bereits vom Arbeitsgericht zitierte Entscheidung des BGH 28.06.2007 - I ZR 49/04 - NJW - RR 2008, 75 ff).

2. Wie das Arbeitsgericht ferner zutreffend ausgeführt hat, richtet sich in den Fällen, in denen internationale Abkommen oder Verordnungen nicht einschlägig sind, die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit mittelbar nach den Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte. Die internationale Zuständigkeit ist gegeben, wenn die örtliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichts nach den §§ 12 ff ZPO gegeben ist (ständige Rechtsprechung von BGH und BAG, vgl. etwa BGH 28.06.2007, a.a.O., zu II 1 a der Gründe; BAG 09.10.2002 - 5 AZR 307/01 - EzA § 29 ZPO 2002 Nr. 1; BAG 20.04.2004 - 3 AZR 301/03 - EzA a.a.O. Nr. 2; BAG 13.11.2007 - 9 AZR 134/07 - EzA Art. 30 EGBGB Nr. 9, zu A I 1 a der Gründe; jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung).

a) Die Zuständigkeit deutscher Gerichte ist entgegen der Meinung des Klägers nicht durch rügelose Einlassung der Beklagten nach § 39 ZPO begründet worden, da die Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Juni 2008 die Zuständigkeit deutscher Gerichte noch vor einer mündlichen Verhandlung gerügt hat.

b) Die Zuständigkeit deutscher Gerichte wäre vorliegend entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts an sich nach § 29 ZPO gegeben.

Denn nach § 29 ZPO bzw. § 269 BGB ist Erfüllungsort für die Arbeitsleistung eines auch nur für die Bearbeitung eines größeren Bezirks über mehrere Arbeitsgerichtsbezirke oder sogar über Staatsgrenzen hinweg agierenden angestellten Reisenden dessen Wohnsitz, wenn er von dort aus seine Reisetätigkeit ausübt. Dies gilt unabhängig davon, ob er täglich nach Hause zurückkehrt und in welchem Umfang er vom Betrieb Anweisungen für die Gestaltung seiner Reisetätigkeit erhält (vgl. nur BAG 12.06.1986 - 2 AZR 398/85 - EzA § 269 BGB Nr. 2; EuGH 09.01.1997 - C-383/95 - AP Nr. 2 zu Art. 5 Brüsseler Abkommen; LAG Berlin 06.08.2001 - 19 SHa 1531/01 - n. v., zu II 1 der Gründe m.w.N.).

c) Die daraus folgende Zuständigkeit deutscher Gerichte ist jedoch gem. § 38 Abs. 2 ZPO derogiert worden.

aa) Gem. § 38 Abs. 2 S. 1 ZPO kann die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges vereinbart werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Die Vereinbarung muss gem. § 38 Abs. 2 S. 2 ZPO schriftlich abgeschlossen, oder, falls sie mündlich getroffen wird, schriftlich bestätigt werden. Durch eine derartige Gerichtsstandsvereinbarung kann auch der Gerichtsstand nach § 29 ZPO abbedungen werden (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl. 2009, § 29 Rz 41). Die Zulässigkeit einer derartigen Gerichtsstandsvereinbarung ist für den Bereich des Arbeitsrechts nicht weiteren, über § 38 Abs. 2 ZPO hinausgehenden, ungeschriebenen Schranken unterworfen (BAG 13.11.2007, a.a.O., zu A I 2 d der Gründe).

bb) Eine derartige schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung liegt hier mit dem Arbeitsvertrag vom 30.07.2007 vor. Der Kläger hat dies entgegen den vom Arbeitsgericht Berlin mit seinem Hinweis vom 19.06.2008 geäußerten Zweifeln an einer schriftlichen Gerichtsstandsvereinbarung schriftlich, das heißt mit seiner Unterschrift auf einer Urkunde mit der Beklagten vereinbart. Die Unterschrift des Klägers bezieht sich nicht nur auf den darüber liegenden Text, mit der Berührung der umrahmten vier letzten Zeilen durch die Unterschrift des Klägers wollte dieser vom Standpunkt eines objektiven Dritten in der Gestalt des Erklärungsempfängers, also der Beklagten, auch die von dieser stets (siehe nur das vom Kläger selbst eingereichte Schreiben der Beklagten vom 10.03.2008 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers, Anl. K 3, Bl. 10 f. und die vom Kläger als Anlagen K 9, K 12 und K 13 eingereichten Handelsrechungen vom 12.11.2007 und 22.10.2007, Bl. 173 d. A., Bl. 185 d. A., Bl. 191 d. A. und Bl. 192 d. A. sowie die von der Beklagten als Anl. B 1 eingereichte Arbeitsvertragsauflösungsbestätigung in Kopie Bl. 54 d. A.) im externen Bereich verwendete Gerichtsstandsvereinbarung "unter"schreiben.

Entgegen der vom Arbeitsgericht im Schreiben vom 19. Juni 2008 den Parteien mitgeteilten Zweifeln ist die Vereinbarung des Gerichtsstandes auch bei einer Einbeziehungskontrolle nach deutschem Recht nicht ungewöhnlich im Sinne von § 305 c BGB. Vielmehr hat die Gerichtsstandsvereinbarung die gleiche Schrifttype, die gleiche Schriftgröße und ist nicht an ungewöhnlicher Stelle, sondern wegen der Hervorhebung der wichtigsten allgemeinen kaufmännischen Regeln auch im Hinblick z. B. auf das Steuerrecht eher an typischer Stelle aufgeführt und durch die Umrahmung besonders betont und hervorgehoben. Da der gesamte Vertragstext nur eine Seite inklusive der hervorgehobenen vier letzten Zeilen hat, bezieht sich die Unterschrift des Klägers und auch die der Beklagten auf die Gerichtsstandsvereinbarung.

III.

Der Kläger trägt daher die Kosten seiner erfolglosen Berufung gem. § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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